K. D. Botke u.a. (Hg.): A Cultural Symbiosis

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Titel
A Cultural Symbiosis. Patrician Art Patronage and Medicean Cultural Politics in Florence (1530-1610)


Herausgeber
Botke, Klazina D.; Van Veen, Henk Th.
Erschienen
Leuven 2022: Leuven University Press
Anzahl Seiten
318 S.
von
Filip Malesevic, Kunsthistorisches Seminar, Universität Basel

Am 21. April 1574 verstarb der erste Grossherzog der Toskana, Cosimo I de’ Medici. Nach weniger als einem Monat wurde ein Begräbniszeremoniell aufgeführt, mit welchem die Bedeutung des Medici-Herzogs ästhetisch in das Stadtleben von Florenz verankert wurde. Ebenso wurden in der römischen Kirche von San Giovanni dei Fiorentini Begräbnisfeierlichkeiten zu Ehren des Medici-Grossherzogs veranstaltet, um die über den Stadtraum von Florenz hinausgehende Bedeutung Cosimos I. zu betonen. Ungefähr 4000 Menschen der Florentiner Stadtgesellschaft nahmen an der Prozession – dem Kernstück des Florentiner Begräbniszeremoniells schlechthin – zwischen dem Palazzo della Signoria und der Kirche von San Lorenzo teil. Die sich dann am 17. Mai in der Kirche der Medici-Familie ereigneten Feierlichkeiten sollten den Höhepunkt des Zeremoniells bilden und für vier Tage andauern. Sowohl die Gestaltung als auch die Ordnung des Begräbniszeremoniells wurde Don Vincenzio Borghini, dem Prior des Ospedale degli Innocenti, Tommaso di Jacopo de’ Medici, Agnolo di Girolamo Guicciardini und Giulio d’Antonio de’ Nobili anvertraut. (Die Begräbnisfeierlichkeiten, die auf den Tod des ersten Grossherzogs der Toskana folgten, sind sowohl in der 1574 gedruckten Descritione della pompa funerale fatta nelle essequie del Ser. Sig. Cosimo de Medici Gran. Duca di Toscana nell’alma Città di Firenze als auch in einer anonymen Handschrift, die womöglich einer Autorschaft Birghinis zuzuschreiben ist, beschrieben: Florenz, Biblioteca Nazionale Centrale, Nuovi Acquisti, 1025. Vgl. hierzu dann Eve Borsook, Art and Politics at the Medici Court I. The Funeral of Cosimo I de’ Medici, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, 12 [1965], 31–54, hier 36–38.) Die Forschung berücksichtigte bislang einzig die Rolle Borghinis in der ästhetischen Gestaltung dieser Begräbnisfeierlichkeiten, ohne auf die Wichtigkeit des Florentiner Patriziers, ehemaligem Diplomaten und deputato sopra i monasteri Agnolo Guicciardini einzugehen. Guicciardinis Teilnahme sowie seine intensive Zusammenarbeit mit Borghini nicht nur im Zusammenhang mit der Herstellung eines Begräbniszeremoniells für das Andenken an Cosimo I de’ Medici, sondern auch in Bezug auf die Ausge-staltung einer herzoglichen Herrschaftspraxis im Florenz des Cinquecento weisen auf die bislang kaum beachtete Rolle der Florentiner Patrizierfamilien sowohl für die politische als auch für die soziale Kultur hin. Diese wichtige Lücke wird nun mit einem disziplinenübergreifenden Sammelband zum Mäzenatentum des Florentiner Patriziats überzeugend geschlossen.
Zeichnete sich noch im frühen 15. Jahrhundert die Florentiner Regierung durch die besondere Teilnahme von Mitgliedern der städtischen Patrizier- und Aristokratenfamilien aus, fiel der Status der Florentiner Stadteliten markant nach dem Aufstieg der Medici im politischen Tagesgeschehen zurück. Als schliesslich unter den Medici Florenz im 16. Jahrhundert zum Grosssherzogtum der Toskana erkoren wurde, scheint der Einfluss des Florentiner Patriziats gänzlich aus der urbanen Herrschaftspraxis der Grossherzöge verschwunden zu sein. Zumindest blieb lange Zeit seit Antonio Anzilottis einflussreicher Studie über die innere Zusammensetzung des Florentiner Staates unter dem Grossherzog Cosimo I de’ Medici die Auffassung bestehen, dass die Florentiner Patrizierfamilien aus der Staatsbildung Cosimos gänzlich ausgefallen wären. (Vgl. Antonio Anzilotti, La costituzione interna dello stato fiorentino sotto il duca Cosimo I de’ Medici, Florenz 1910.) In den 1960er Jahren wurde diese Betrachtung eines Ausschlusses des Florentiner Patriziats in der Herrschaftspraxis Cosimos I. sogar noch stärker ausgearbeitet, indem das Herzogtum der Medici über die Toskana als eine «absolutistische» Herrschaftspraxis bezeichnet wurde, die deutlich einem republikanischen Herrschaftsverständnis und der damit verbundenen Vorstellung einer Florentiner libertas entgegengesetzt war. (Zum «Absolutismus» der Medici-Herzöge vgl. insbes. Elena Fasano Garini, Lo stato mediceo di Cosimo I, Florenz 1973, 41; dies., Potere centrale e comunità soggette nel granducato di Cosimo I, in: Rivista Storica Italiana, 84 [1977], 490–538; Furio Diaz, Il Granducato di Toscana, 3 Bde., Turin 1982–1997 [Storia d’Italia 13], Bd. 1: I Medici, Turin 1976).
Der hier besprochene Band zeigt in eindrücklicher Weise und anhand von acht ausgewählten Florentiner Patrizierfamilien auf, dass die Herrschaftspraxis der ersten Medici-Herzöge zwischen Cosimo I. und Ferdinando I. de’ Medici durchaus an der Gestaltung derselben und des Florentiner Herzogsstaates beteiligt waren. Die acht Beiträge widmen sich den wohl namhaftesten Patriziern im Florentiner Cinquecento – den Familien Valori, Pucci, Ridolfi, Vecchietti, del Nero, Salviati, Guicciardini und Niccolini – aus der Betrachtungsweise ihres Mäzenatentums im Schaupiel der Florentiner Kunst und Politik des 16. und frühen 17. Jahrhunderts. Dass das prinzipielle Augenmerk des Sammelbandes auf der Kunst- und Kulturproduktion im Florenz des späten Cinquecento liegt, ist kein Zufall, hatte sich doch innerhalb der bisherigen Forschungsarbeiten zum Medici-Mäzenatentum, und insbesondere zu demjenigen Cosimos I de’ Medici, die Ansicht durchzusetzen begonnen, dass das nach dem Fall der zweiten Florentiner Republik im Jahr 1532 politische Regime in der «manieristischen» Architektur sowie Malerei eine «totalitäre» Staatsräson spiegeln würde. (Vgl. Giorgio Spini, Architettura e politica da Cosimo I a Ferdinando I, Florenz 1976, 14; ders., Il principato e il sistema degli Stati europei, in: Firenze e la Toskana dei Medici nell’Europa del Cinquecento, hg. v. Gian Carlo Garfagnini, 3 Bde., Florenz 1983, Bd. 1, 177–216. In Bezug auf die Bildproduktion während des principato der Medici vgl. dann insbes. zuletzt Elizabeth Cropper, Firenze alla fine del Cinquecento. Uno «stato» di bellezza, in: Il Cinquecento a Firenze. «Maniera moderna» e controriforma, hg. v. Carlo Falciani/Antonio Natali, Florenz 2017, 291–302.) Anknüpfend an eine am Istituto Lorenzo de’ Medici in Florenz im Jahr 2019 gehaltene Tagung mit dem Titel Florence 1600: Patrician Families and the Financing of Culture stellen die im hier vorliegenden Sammelband zusammengeführten acht Aufsätze die Florentiner Patrizierfamilien als Mäzene dar und betritt damit sowohl methodologisches als auch thematisches Neuland.
Auch wenn die acht Beiträge allein durch die thematische Ausrichtung und Fokussierung auf den kulturstiftenden Einfluss des Florentiner Patriziats an der mediceischen Herrschaftspraxis versammelt werden und die einzelnen Essays dadurch getrennt voneinander auf die Erschliessung der Florentiner Aristokratie sehen, scheint nichtsdestotrotz die Frage danach, inwieweit diese Gesellschaftsschicht ein republikanisches Staatsverständnis zu bewahren vermochte, aber dieses in anspruchsvoller Weise strategisch für deren Zusammenarbeit mit den Medici-Herzögen in deren neue Herrschaftspraxis integrierte, als weiteres, zentrales Augenmerk im Vordergrund dieses Sammelbandes zu stehen. Die Beiträge zeigen damit auch für eine gesamteuropäische Entwicklung der Aristokratie in der Neuzeit neue Perspektiven auf. Abgesehen von der Bedeutung des Einflusses ausschliesslich elitärer Gesellschaftsschichten auf die Bildproduktion werden vor allem die Strategien sowie Interessen der Herrscherfamilien an der Einbindung des Patriziats in der zeremoniellen Festkultur hervorgehoben. Das höfische Zeremoniell und dessen rituelle Dynamiken zur ästhetischen Betonung sowie Visualisierung der Medici als Herzogsfamilie im Florenz des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts war somit auch durch die in diesem erzeugte «Erkennbarkeit» der einzelnen Patrizierfamilien bedingt. Diese Einsicht kann entscheidend dazu beitragen, in künftigen Forschungsarbeiten die gesellschaftliche Relevanz des Patriziats im Europa der Frühen Neuzeit auf innovative Weise zu erschliessen.

Zitierweise:
Malesevic, Filip: Rezension zu: Botke, Klazina D.; Van Veen, Henk Th. (Hg.): A Cultural Symbiosis. Patrician Art Patronage and Medicean Cultural Politics in Florence (1530–1610), Leuven 2022. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 116, 2022, S. 430-432. Online: https://doi.org/10.24894/2673-3641.00127.

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